Reflections on Mendelssohn

Vier Stücke für Orgel nach der Orgelsonate No. 1 in f-moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy und inspiriert durch vier Worte meiner genialen Orgellehrerin Maria Mokhova

Entstehung des Werks
Im Frühjahr 2021 erarbeitete ich innerhalb des Orgelunterrichts im 1. Semester Kirchenmusik die 1. Orgelsonate von Felix Mendelssohn-Bartholdy und konnte erst nicht so richtig warm werden mit dem Werk. Denn davor hatte ich noch nichts von Mendelssohn für Orgel gespielt und war mit einer neuen Welt konfrontiert. Der 1. Satz ist unglaublich kompliziert, man muss sich sehr konzentrieren, die richtigen Emotionen treffen. Wer die anderen Sätze auch kennt, weiß, wovon ich spreche. Jedoch habe ich von meiner Orgellehrerin Maria Mokhova eine fantastische Art gelernt, Mendelssohn zu spielen und zu interpretieren. Für mich ist es, offen gesagt, sehr schwer, alle Emotionen beim Spielen rauszulassen. Ich muss mich oftmals zwingen, mich einfach mal loszulassen. Und wenn ich gespielt habe, war der 2. Satz immer viel zu verklemmt und klang nach Arbeiten, nach einer verklemmten und übermäßigen Arbeit, die sich anfühlte, als müsse sie halt gemacht werden.

Daraufhin riet mir meine Orgellehrerin, den 2. Satz mit Liebe, Freiheit, Staunen und Gelassenheit zu spielen. Ich sollte selbst über die wunderschönen Melodien im 2. Satz staunen, mir die Freiheit nehmen, sie wirklich zu genießen und sie mit Liebe und Gelassenheit zu gestalten, ohne dass es gezwungen klingt. Und dann hat sich irgendwie etwas grundlegendes verändert: Ich hatte auf einmal einen Punkt erreicht in der Erarbeitung eines Werks, in welchem man merkt, dass sich genau das Stück, an dem man bewusst und unbewusst sehr intensiv gearbeitet hat, leise und heimlich ins Herz, in die Seele geschlichen hat.

Seitdem lässt mich diese Sonate nicht wirklich los. Immer wieder hole ich sie raus und spiele sie an, die Melodien schwirren mir im Kopf herum, immer wieder entdecke ich neue Geheimnisse zwischen all den Tönen, von denen ich dachte, dass ich sie schon sehr gut kennen würde.

Titelbild der Komposition „Reflections on Mendelssohn“

Dann spielte ich den 1. und 2. Satz bei einem internen Klassenabend vor, der mit Video und Ton zur Selbstreflexion aufgenommen wurde. Ich neige stark dazu, zu viel zu reflektieren, zu selbstkritisch zu sein. Während ich mir dann die Aufnahme anhörte, legte ich eine Liste mit all den Dingen an, die ich verbesserungswürdig fand und betitelte die Liste mit „Reflections on Mendelssohn“.

Nach einigen Tagen hörte ich die Aufnahme nochmals an und erweiterte und verkleinerte die Liste, denn die Wahrnehmung veränderte sich mit jedem Mal hören. Und während ich da also meine Liste fröhlich umänderte, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich vielleicht nicht schriftlich mit Worten reflektieren sollte, sondern mit meiner eigenen Tonsprache meine Interpretation hinterfragen sollte.

Mir war sofort klar, dass ich das unbedingt machen will und fing dann auch flott an, zu schreiben. Der schwierigste Schritt war, Tonmaterial aus der Sonate zu katalysieren. Aber ich dachte bei jedem Gedanken an Liebe, Freiheit, Staunen und Gelassenheit. Es braucht seine Zeit, es braucht den richtigen Moment, es braucht unbefangene Gedanken und viel Staunen über all die tolle Musik, über die man da gerade schreibt.

Sehr lange habe ich an den Reflections on Mendelssohn gesessen, was einfach daran liegt, dass es so viel zu entdecken gibt zwischen all den Tönen und im Geheimnis der Sonate.

Betitelt habe ich die Sätze meiner Reflections on Mendelssohn mit diesen vier Worten, durch die ich kapiert habe, wie die Sonate und ich zusammenpasse: Liebe, Freiheit, Staunen und Gelassenheit.
Diese vier Werte sind für mich seitdem extrem wichtig geworden, denn nach ihnen richte ich mich seither in jeder Erarbeitung eines neuen Stücks.

Die Reflections on Mendelssohn werden am 21. November 2021 um 18 Uhr in der Abendmusik zum Ewigkeitssonntag in der Alten Kirche am Main in Maintal-Dörnigheim uraufgeführt. Ich werde sie selbst spielen und freue mich sehr darauf.