Komposition ist Seele auf Papier, es gibt keine innigere oder anspruchsvollere Form der Selbstakzeptanz, als die Uraufführung eines Stückes.
Am 21. November 2021 war es endlich so weit und ich habe die Reflections on Mendelssohn das erste Mal öffentlich gespielt. Wenn man so lange, wie ich an den Reflections herumgewerkelt habe, an einem Werk herumkomponiert, hat man immer ein bisschen Mühe, das Werk freizulassen, loszulassen. Es ist ganz lange ein Teil von einem selbst, ein Stück Seele, ein Stück Persönlichkeit.
Und auf einmal teilt man es mit anderen Menschen, gibt viel von sich selbst preis. Wo dann der Teil der Seele auf Papier steht, ist in der Seele ein großes Stück verloren gegangen. Für mich gibt es nach jeder Uraufführung immer knapp zwei Wochen, in denen ich kaum ich selbst bin, weil einfach Teile, die ich lange mit mir herumgetragen hatte, auf einmal fehlen. Und es braucht Zeit, bis man dieses Loch in der eigenen Seele wieder mit neuen kreativen Ideen, neuer Persönlichkeit, gefüllt hat.
Ein Werk uraufführen bedeutet, seine Seele mit dem Publikum zu teilen.
Die Reflections sind für mich ein sehr persönliches, und doch recht autobiographisches Werk. Wer ich Anfang April, als ich begann, die Mendelssohn-Sonate zu erarbeiten, noch menschlich war, kann ich jetzt gar nicht mehr begreifen. Denn durch diese eine Sonate, durch diesen faszinierenden Unterricht über die Sonate, habe ich so unglaublich viel gelernt übers Leben, übers Lieben und übers Sein, dass ich es nie wieder anders leben will. Und das merkt man dem Werk an: Es ist freier, es ist gelassener, ich gehe liebender mit mir um, und ich staune über all die Geheimnisse zwischen den Tönen.